Energynet.de-Blogger Andreas Kühl

Energiewende und Nachhaltigkeit

Wie smarte Kommunikation die Energiewende voranbringt

25. Oktober 2024

Ein Interview mit Andreas Kühl von energynet.de über den Bürgerdialog in der Energiewende

Smarte-Stromnetze sprach mit Andreas Kühl, einem gefragten Experten für Bürgerbeteiligung und Kommunikation bei Infrastrukturprojekten in der Energiewirtschaft. Mit seinem weithin bekannten und anerkannten Blog energynet beleuchtet er regelmäßig Herausforderungen und Best Practices der Energiewirtschaft und Energieeffizienz. Zudem berät er Unternehmen, Kommunen und Verbände unter anderem zu kommunikativen Fragen rund um die Energiewende.

Andreas, du beschäftigst dich intensiv mit Bürgerbeteiligung und Kommunikation bei Infrastrukturprojekten. Tatsächlich gewinnt man den Eindruck, dass die auch bitter nötig ist – und dass die Akzeptanz für Infrastrukturprojekte im Energiebereich nicht eben größer wird. Wie siehst du das im Kontext der Energiewende?

Andreas Kühl: In der Vergangenheit hat man lange versäumt, sich mit der Akzeptanz der Energiewende-Projekte zu beschäftigen. Es ging ja schließlich um eine nachhaltige, klimafreundliche Energieversorgung für unser aller Zukunft. Aber es sind jetzt nicht mehr einige wenige, kaum sichtbare Kraftwerke, die wir für unsere Stromversorgung benötigen. Es sind viele großflächige Erzeugungsanlagen, die über das ganze Land verteilt sind. Die Energiewelt ist komplexer geworden, es gibt keine einfachen Lösungen mehr.

Die Menschen haben Sorgen und Bedenken hinsichtlich der Veränderungen, mehr Bürger sind von einzelnen Projekten betroffen. Sie wollen informiert, einbezogen oder beteiligt werden. Sonst kommt es zu Protesten.

Ich bin davon überzeugt, dass eine intensivere Beteiligung und Kommunikation mit den betroffenen Gruppen zu mehr Akzeptanz führen wird. Dieser Weg ist natürlich aufwändig, er kostet viel Arbeit und Zeit, wird sich aber auf lange Zeit lohnen.

Bei smarte-stromnetze.de interessieren wir uns im Rahmen der Energiewende besonders für die Stromnetze. Welche Herausforderungen siehst du hier bei der Einbindung der Bürger, z. B. beim Netzausbau, der E-Mobility oder bei der Installation von Smart Metern?

Eine Einbindung der Bürger ist beim physischen Netzausbau bislang oft nur durch eine Bekanntmachung der Maßnahme vorgesehen. Bei größeren Projekten, wie den Ausbau der Übertragungsnetze, informieren die Netzbetreiber die betroffene Bevölkerung bereits auf verschiedenen Wegen.

Es geht bei den Stromnetzen auch um andere Maßnahmen, wie die wettbewerblichen Ansätze. Der Markt für dynamische Tarife steht noch ganz am Anfang, er kann in Verbindung zu einer besseren Auslastung der Netze mit mehr erneuerbaren Energien führen. Dies setzt Anreize für eine Verlegung des Verbrauchs in Zeiten mit besonders viel Stromangebot. Eine andere Maßnahme ist seit Jahresbeginn 2024 wirksam, die netzorientierte Steuerung nach § 14a EnWG. 

Viele Bürgerinnen und Bürger werden sich fragen, was sie davon haben und warum der Netzbetreiber eingreifen darf. Wer eine Wärmepumpe hat oder ein Elektroauto fährt, der profitiert besonders durch günstigere Stromkosten oder reduzierte Netzentgelte. Bei allen anderen, insbesondere Mietern, sind mögliche Einsparungen nicht so groß.

Beim Thema Smart Meter wissen viele noch nicht, was auf sie zukommt. Sie wollen wissen, was ihr Nutzen ist und welche Angebote ihnen helfen, die Stromkosten zu reduzieren. Das Interesse am Thema ist groß, viele Menschen wollen mehr Transparenz in ihren Energieverbrauch bringen und Energiekosten sparen. Das ist eine Aufgabe, bei der noch viel zu tun ist.

Kannst du uns ein Beispiel geben, wo die Bürgerbeteiligung bei einem Projekt besonders gut funktioniert hat? Was waren die Erfolgsfaktoren?

Gute Beispiele finden sich vorwiegend bei den Übertragungsnetzbetreibern. Für den Bau der Westküstenleitung in Schleswig-Holstein hatte der Übertragungsnetzbetreiber TenneT TSO zu einer Reihe von Dialogveranstaltungen eingeladen. Dieses Format bot einen direkten und kontroversen Austausch, bei dem beide Seiten auf Augenhöhe zu Wort gekommen sind. Bei den Übertragungsnetzen ist es, aufgrund der sichtbaren Freilandleitungen, von großer Bedeutung, um Akzeptanz in der Bevölkerung zu werben. (Quelle)

Bürgerbeteiligung wird heute bei lokalen Solar- und Windenergieprojekten als wichtiger Faktor für die Akzeptanz betrachtet. Die Beteiligung kann sehr unterschiedliche Formen annehmen, zum Beispiel eine finanzielle Beteiligung über Crowdinvesting, Energiegenossenschaften oder Produkte lokaler Banken. Stadtwerke, die ohnehin großes Vertrauen in der Bevölkerung genießen, können mit lokalen Energiegenossenschaften zusammen arbeiten, um Projekte umzusetzen und zu finanzieren.

Ein Beispiel sind die Stadtwerke Wolfhagen (Hessen), die eine Genossenschaft gegründet haben, um Bürgerinnen und Bürger in den geplanten Bau eines Windparks einzubinden. Die Genossenschaft hat Anteile an den Stadtwerken erworben, die dadurch zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung hat, um erneuerbare Energien vor Ort auszubauen. Bürger in der Genossenschaft haben Mitspracherechte an der Ausrichtung der Stadtwerke und sind an ihrem wirtschaftlichen Ergebnis beteiligt.

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Bürgerbeteiligung sind demnach eine offene Kommunikation, ein Dialog auf Augenhöhe und finanzielle Beteiligung.

Ein anderes großes Thema ist die Sektorkopplung, also das Zusammenspiel von Strom, Wärme und Mobilität. Welche Rolle spielt hier die Bürgerbeteiligung, z. B. bei der kommunalen Wärmeplanung?

Sektorenkopplung gibt es in verschiedenen Dimensionen, im Ein- und Mehrfamilienhaus, im Quartier und in der Kommune oder im ganzen Stromnetz. Für alle gibt es möglichen Anwendungen und Geschäftsmodelle, sie helfen die Stromerzeugung mit Sonne und Wind besser auszulasten. Besonders flexible Verbraucher, wie kleine und große Wärmepumpen sowie Elektrofahrzeuge können dazu beitragen, die erneuerbaren Energien ins Stromnetz zu integieren.

In der kommunalen Wärmeplanung ist die Bürgerbeteiligung gesetzlich vorgeschrieben (§ 7 und § 13 WPG). Die Planer sollen Öffentlichkeit, Behörden und Träger öffentlicher Belange im Rahmen der Wärmeplanung beteiligen. Über die Ergebnisse der einzelnen Schritte müssen sie informiert werden und Stellungnahmen abgeben können. Das ist nicht an den Inhalt der Wärmeplanung gebunden.

Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in der Wärmeplanung ist sehr wichtig, sie sind alle betroffen und müssen wissen, was sich in ihrer Wärmeversorgung ändern wird. Es geht aber auch um die lokale Infrastruktur, wenn zum Beispiel Großwärmepumpen mit Fluss- oder Seewärme arbeiten, Flächen für thermische Solaranlagen benötigt werden oder das lokale Stromnetz für Wärmepumpen ausgebaut werden muss. Jede Form der Beteiligung und Kommunikation trägt zur Akzeptanz dieser Projekte bei.

Digitalisierung ist ein großer Treiber in der Energiewirtschaft, Stichwort Smart Grids und Smart Meter. Steht uns hier demnächst die nächste große Akzeptanzdebatte bevor?

Der Smart Meter Rollout geht ab 2025 erst richtig los, betroffen sind zunächst Verbraucher ab 6.000 kWh und Anlagenbetreiber ab 7 kW Leistung. Das heißt, das Thema kommt erst noch auf die Tagesordnung. Auch wenn der Datenschutz seinen Anteil an der langen Verzögerung des Rollouts hat, werden wir sicher erneut darüber diskutieren müssen. Viele werden sich auch fragen, welchen Nutzen sie davon haben, neben ihrem Beitrag zur Optimierung des Gesamtsystems. Auf sie können schließlich etwas höhere Kosten für die Zählermiete zukommen.

Ein anderes großes Thema ab 2025 sind die dynamischen Stromtarife. Das kann zu einer sozialen Debatte führen. Wer sich ein Elektroauto und eine Wärmepumpe leisten kann, profitiert mehr von den geringen Preisen an der Strombörse, als ein Mieter. Aber auch die können den Betrieb ihr Haushaltsgeräte in Zeiten mit geringen Strompreisen legen und damit Stromkosten reduzieren. Das kann rund ein Drittel des Stromverbrauchs ausmachen, muss aber noch besser und breiter kommuniziert werden.

Zum Abschluss: Welche Tipps hast du für Unternehmen und Kommunen, die in einen Dialog mit Bürgern zu Infrastrukturprojekten treten wollen? Was sind deine Top-3-Empfehlungen?

Kommunen und Stadtwerke haben eine natürliche Nähe zu den Bürgern und damit einen Vertrauensvorschuss. Diesen Vorteil sollten sie nutzen und bei eigenen Projekten, die Bürger einbeziehen. Für Unternehmen von außerhalb ist es aufwändiger, dieses Vertrauen aufzubauen, aber ebenfalls möglich.

Wichtig ist, dass sie

  • ehrlich und offen kommunizieren, also nichts beschönigen,
  • einen richtigen Dialog auf Augenhöhe ermöglichen und nicht nur in einer Richtung kommunizieren und
  • sowohl vor Ort als auch online mit den Menschen ins Gespräch kommen.

Die Bürger wollen, dass ihre Bedenken und Sorgen ernst genommen werden. Wenn man ihnen zuhört und darauf eingeht, können Unternehmen und Kommunen ihr Vertrauen und die Akzeptanz für die geplanten Projekte gewinnen.